Guido Rothkopf geht. Was bleibt?

Nach fünf Jahren als Geschäftsführer verlässt Guido Rothkopf Ende September 2024 die Caritas Lebenswelten GmbH. Am 25. September wird er feierlich verabschiedet. Der Dank für 19 Jahre verantwortliche Mitarbeit bei dem Sozialunternehmen ist ihm gewiss. Wie er selbst auf diese Zeit zurückblickt und in die Zukunft schaut, erzählt er im Interview mit Thomas Hohenschue.
Mit welchen Gefühlen gehen Sie Ihrem Abschied entgegen?
Rothkopf: Die Entscheidung, den Vertrag als Geschäftsführer nicht zu verlängern, hat vor allem persönliche Gründe. Viele wissen, dass ich Ende 2022 zwei Monate Auszeit nehmen musste, um einem drohenden Burnout entgegenzuwirken. Seit diesem Moment stecke ich in einem Prozess der persönlichen Veränderung, der sich auch auf das Berufliche erstreckt. Ohne zu wissen, was folgt, habe ich das vertrauensvoll mit dem Verwaltungsrat besprechen können. Jetzt weiß ich, es geht beruflich weiter bei der Lebenshilfe Heinsberg, und das befreit mich noch ein Stück weiter. Ich habe keine Probleme mit der verbandlichen Caritas, ganz im Gegenteil halte ich sie für den wesentlichen Teil von Kirche. Aber wie sich die katholische Kirche entwickelt, stellt mich als gläubigen Katholiken vor wachsende Probleme.
Das war jetzt das lachende Auge. Wie sieht es mit dem weinenden aus?
Rothkopf: Schon heute kommt die Wehmut auf, viele tolle Menschen zu verlassen, mit denen ich bei den Caritas Lebenswelten zusammenarbeiten durfte. Ich habe größten Respekt davor, mit welcher Empathie und Fachlichkeit sie ihren Dienst in der Arbeit mit den uns anvertrauten Menschen verrichten. Wenn ich sehe, was die Organisation leistet, in ihrer Gesamtentwicklung, in den KiTas, in den Wohneinheiten, erfüllt mich Demut. Und ich empfinde große Dankbarkeit, dass ich dazu in verschiedenen Rollen in den letzten 19 Jahren meinen Beitrag leisten und dabei selbst wachsen durfte. Das ist für mich ohnehin ein Markenzeichen der Caritas Lebenswelten, dass sie Freiraum fürs Wachsen gibt.
Und sie wächst selbst. Neue KiTas und neue Wohnangebote kommen hinzu. Wohin geht der Weg?
Rothkopf: Zu diesem Wachstumskurs sehe ich wenige Alternativen. Wir sichern damit die Wirtschaftlichkeit der GmbH ab. Dabei gilt, dies mit Augenmaß zu tun und genau zu schauen, wo wir Betriebsträgerschaften übernehmen oder sich neue Dienste entwickeln. Und eines ist auch wichtig, das habe ich schon vor meiner Zeit als Geschäftsführer so gesehen und vertrete das bis heute: Die Caritas Lebenswelten muss in ihrer Organisationsstruktur mitwachsen. Das bedeutet, sie muss die Aufgaben, die sich mit mehr Einrichtungen verbinden, gut verteilen, Verantwortung handhabbar halten, Gemeinsames gemeinsam gestalten. Das betrifft die Geschäftsstelle ebenso wie unsere dezentralen Leitungsstrukturen.
Die Grenzen des Wachstums markiert unter anderem der Fachkräftemangel. Wie ist die Caritas Lebenswelten GmbH hier aufgestellt?
Rothkopf: Wie alle Träger blicken wir dieser Herausforderung ins Gesicht. Aber wir stellen uns ihr proaktiv und nutzen alle Möglichkeiten, Menschen für eine Mitarbeit in den KiTas oder Wohneinheiten der Caritas Lebenswelten GmbH zu gewinnen. Wir bilden zum Beispiel in hohem Maße selbst aus und bieten den Azubis viele Vergünstigungen und Mitsprache von Tag eins an. Auch haben wir einen Blick darauf, diejenigen enger an uns zu binden, die bereits für uns arbeiten. Das geht durch unsere guten tariflichen Bedingungen, durch eine achtsame Kultur des Umgangs, durch gemeinschaftliche Ereignisse und vieles mehr. Doch können wir dadurch nur bedingt auffangen, dass immer mehr junge Menschen sich gegen einen Beruf in der Eingliederungshilfe entscheiden. Der Arbeitsalltag in der KiTa und in den Wohnangeboten ist stressig, ja, und oft kollidiert er auch mit der Vorstellung einer Work-Life-Balance. Die Überlastung in der Corona-Zeit hat uns eine Delle verpasst. Wir können nur hoffen, dass sich der Gedanke neu durchsetzt, dass diese Arbeit wichtig ist und einen hohen Sinngehalt.
Sie haben in Ihren fünf Jahren als Geschäftsführer die Leitungskultur in den Fokus genommen. Was ist Ihnen hier wichtig?
Rothkopf: Wir haben zusammen Führungsgrundsätze erarbeitet und verabschiedet, die unsere Kultur spiegeln und fördern sollen. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir als Führungskräfte Werte vorleben, authentisch, und Impulse setzen, aber auch die Leute machen lassen. Denn sie müssen ja Konzepte und Projekte im Alltag durchtragen. Mir ist ein guter Umgang mit Konflikten wichtig. Ich schätze es sehr, wenn wir miteinander ehrlich um die beste Lösung ringen. Meine Meinung ist: Daran wachsen Menschen. Wichtig ist mir außerdem, Fehler als Chance zum Lernen zu begreifen. Gescheitert ist man erst, wenn diese Chance nicht ergriffen wird, und dann ist es häufig kein persönliches Scheitern, sondern ein gemeinsames.
Das Umfeld der Eingliederungshilfe wird nicht einfacher. Wie sollte sich die Caritas Lebenswelten in Ihren Augen darauf einstellen?
Rothkopf: Die Komplexität der Eingliederungshilfe wächst von Jahr zu Jahr. Das Bundesteilhabegesetz stärkt, was gut ist, die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung. Faktisch bedeutet es aber eine wachsende Beanspruchung, teils Überforderung aller Beteiligten. Die Zergliederung von Zuständigkeiten und Zuweisungen, die Vermehrung von Bedingungen und Beantragungen – das alles ist eine überbordende bürokratische Belastung. Als Caritas Lebenswelten GmbH sind wir mit allen Beteiligten im vertrauensvollen Gespräch, stoßen aber auch selbst in unserer Organisation an Grenzen. Wir müssen uns in der Leitungsstruktur bis hin zur Aufsicht auf die wachsende Komplexität ausrichten. Ein Beratungsprozess könnte hier helfen, die besten Antworten zu formulieren.
Guido Rothkopf im Interview mit Thomas Hohenschue